Die Mütze schützte ihn gut gegen den einsetzenden Regen und
behinderte die Sicht kaum.
Die neuen Handschuhe waren noch schön glatt, höchstens ein My
zu groß. Fein abgestimmte Grautöne von Mütze, Sweater und Trainingshose ließen
ihn vor dem Hintergrund des Adlershofer Waldes für Freund und Feind fast
unsichtbar werden. Roland verschmolz mit seiner Umgebung, er löste sich auf,
wurde eins mit allem. Nebel-Nirwana - in jedem Moment zugleich Sein und
Nicht-Sein, Heisenberg*.
Und so hüpften seine Atome und die des ersten sich auf sein
Tor zubewegenden lächerlichen Lullaballs derart geschickt umeinand, dass immer,
wenn sich eines der Myriaden Atomteilchen seiner schönen neuen Towarthandschuhe
nach der Konfrontation mit den Teilchen des Balles sehnte, diese sich just in
diesem Augenblick woanders aufhielten und folgerichtig der - eigentlich
unvermeidliche -Zusammenstoß von Rolandatomen und Ballatomen wundersam
ausblieb.
Der Ball diffundierte einfach durch Roland - und hinterher lag
ein grauer Haufen Roland vor und der Ball hinter der Linie.
Auch der Schiedsrichter war ehrlich erstaunt, pfiff aber trotzdem
zum 1:0 für Akademie Adlershof.
Wir sechs Feldspieler schauten uns ratsuchend an und guckten
dann flehentlich zur Seitenlinie, doch da war keine Hilfe. Und so mussten wir
die Dinge selber die Hand nehmen, was uns auch zunehmend besser gelang. Die
Abwehr hütete sich vor weiteren Erfahrungen mit der Unschärferelation und ließ
praktisch nichts mehr zu und im Angriff erarbeiteten wir uns ein Haufen hochwertiger
Torchancen – welche ich sämtlich versemmelte: Hoch links vorbei, knapp unten
links vorbei, schöne Drehung und oben rechts vorbei, allein vor dem dicken
Torwart und mitten auf die Plautze geschossen, es war zum Grausen.
In der Pause versuchten dann fünf tapfere Mitspieler, den
verzweifelten Blicken der beiden Bedröppelten nicht auszuweichen, was ihnen mit
einigem Anstand auch halbwegs gelang.
Jetzt aber kam der große Moment von Gür, der aufbaute,
aufmunterte, wider besseren Wissens Zuversicht verbreitete, Roland zuraunte,
dass dieser in der 2. Halbzeit zu null spielen und mir, dass ich noch ein oder
zwei Tore schießen werde.
Vielleicht war ja doch einiges von Gürs Apellen durch die
Wand der Verzweiflung zu uns gedrungen, jedenfalls schoss ich nach der Pause zur
Abwechslung mal nicht über oder neben das Tor, sondern bediente Axel, der sich
geschickt am linken Pfosten abgesetzt hatte und den Ball eiskalt und überlegt
am Torwart vorbeischob.
Jetzt begann sich der Macbethsche Wald vollends zurück zu
ziehen und als Micha einen Ball in der eigenen Hälfte eroberte, mit ihm auf das
gegnerische Tor zustürmte, nein, nicht auf den mitlaufenden Stephan passte und
nein, immer noch nicht abspielte, sondern den Ball einfach in seine
Lieblingsecke schoss, war das Spiel gedreht.
Im Angesicht des vor Augen liegenden Sieges gestatteten wir
uns in der Abwehr einige vermeidbare Unsicherheiten, nun aber war aus Roland
ein grauer Nebelblitz geworden, der tatkräftig und entschlossen die Adlershofer
Chancen zunichtemachte. Unsere sich dabei ausbreitende Nervosität legte sich
aber schnell wieder und als Manni nach einer abgewehrten Ecke den Ball noch
einmal vor das Tor brachte, erfüllte sich auch Gürs zweite Prophezeiung –
zumindest zur Hälfte.
Denn es soll nicht verschwiegen werden, dass es mir noch gelang,
nach einem 30-Meter-Traumpass von Manni in kläglichster Weise den Torwart
anzuschießen, aber ansonsten spielten wir das Ding nun sehr souverän nach
Hause.
Von den ethnologischen Abenteuern, die die glorreichen
Sieben (Roland, Axel, Micha R., Effendi, Manni, Gür und ikke) anschließend im
Adlershofer Sportcasinomilieu erlebten, müssen andere, deren Erinnerungen dabei
nicht so vernebelt wurden, berichten.
P.S.: BSV AdW – BSC II 1:3
P.P.P.S.:
ikke = Stephan B. (nominiert für den "Sport Bild"-Award )