3.11.17

Fogs of Adlershof

Die Mütze schützte ihn gut gegen den einsetzenden Regen und behinderte die Sicht kaum.
Die neuen Handschuhe waren noch schön glatt, höchstens ein My zu groß. Fein abgestimmte Grautöne von Mütze, Sweater und Trainingshose ließen ihn vor dem Hintergrund des Adlershofer Waldes für Freund und Feind fast unsichtbar werden. Roland verschmolz mit seiner Umgebung, er löste sich auf, wurde eins mit allem. Nebel-Nirwana - in jedem Moment zugleich Sein und Nicht-Sein, Heisenberg*.
Und so hüpften seine Atome und die des ersten sich auf sein Tor zubewegenden lächerlichen Lullaballs derart geschickt umeinand, dass immer, wenn sich eines der Myriaden Atomteilchen seiner schönen neuen Towarthandschuhe nach der Konfrontation mit den Teilchen des Balles sehnte, diese sich just in diesem Augenblick woanders aufhielten und folgerichtig der - eigentlich unvermeidliche -Zusammenstoß von Rolandatomen und Ballatomen wundersam ausblieb.
Der Ball diffundierte einfach durch Roland - und hinterher lag ein grauer Haufen Roland vor und der Ball hinter der Linie.
Auch der Schiedsrichter war ehrlich erstaunt, pfiff aber trotzdem zum 1:0 für Akademie Adlershof.
Wir sechs Feldspieler schauten uns ratsuchend an und guckten dann flehentlich zur Seitenlinie, doch da war keine Hilfe. Und so mussten wir die Dinge selber die Hand nehmen, was uns auch zunehmend besser gelang. Die Abwehr hütete sich vor weiteren Erfahrungen mit der Unschärferelation und ließ praktisch nichts mehr zu und im Angriff erarbeiteten wir uns ein Haufen hochwertiger Torchancen – welche ich sämtlich versemmelte: Hoch links vorbei, knapp unten links vorbei, schöne Drehung und oben rechts vorbei, allein vor dem dicken Torwart und mitten auf die Plautze geschossen, es war zum Grausen.
In der Pause versuchten dann fünf tapfere Mitspieler, den verzweifelten Blicken der beiden Bedröppelten nicht auszuweichen, was ihnen mit einigem Anstand auch halbwegs gelang.
Jetzt aber kam der große Moment von Gür, der aufbaute, aufmunterte, wider besseren Wissens Zuversicht verbreitete, Roland zuraunte, dass dieser in der 2. Halbzeit zu null spielen und mir, dass ich noch ein oder zwei Tore schießen werde.
Vielleicht war ja doch einiges von Gürs Apellen durch die Wand der Verzweiflung zu uns gedrungen, jedenfalls schoss ich nach der Pause zur Abwechslung mal nicht über oder neben das Tor, sondern bediente Axel, der sich geschickt am linken Pfosten abgesetzt hatte und den Ball eiskalt und überlegt am Torwart vorbeischob.
Jetzt begann sich der Macbethsche Wald vollends zurück zu ziehen und als Micha einen Ball in der eigenen Hälfte eroberte, mit ihm auf das gegnerische Tor zustürmte, nein, nicht auf den mitlaufenden Stephan passte und nein, immer noch nicht abspielte, sondern den Ball einfach in seine Lieblingsecke schoss, war das Spiel gedreht.
Im Angesicht des vor Augen liegenden Sieges gestatteten wir uns in der Abwehr einige vermeidbare Unsicherheiten, nun aber war aus Roland ein grauer Nebelblitz geworden, der tatkräftig und entschlossen die Adlershofer Chancen zunichtemachte. Unsere sich dabei ausbreitende Nervosität legte sich aber schnell wieder und als Manni nach einer abgewehrten Ecke den Ball noch einmal vor das Tor brachte, erfüllte sich auch Gürs zweite Prophezeiung – zumindest zur Hälfte.
Denn es soll nicht verschwiegen werden, dass es mir noch gelang, nach einem 30-Meter-Traumpass von Manni in kläglichster Weise den Torwart anzuschießen, aber ansonsten spielten wir das Ding nun sehr souverän nach Hause.
Von den ethnologischen Abenteuern, die die glorreichen Sieben (Roland, Axel, Micha R., Effendi, Manni, Gür und ikke) anschließend im Adlershofer Sportcasinomilieu erlebten, müssen andere, deren Erinnerungen dabei nicht so vernebelt wurden, berichten.

P.S.: BSV AdW – BSC II 1:3

P.P.P.S.: ikke = Stephan B. (nominiert für den "Sport Bild"-Award )

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