24.3.08

Wer ist eigentlich ...

… Michael Sziedat?

Bei dem tollen Erlebnis des Freundschaftsspiels der BSC Ü50 im letzten Herbst auf dem Hubi-Großfeld gegen die Berliner Stadtauswahl (Bericht siehe hier) fiel nicht nur den Connaisseuren ein Spieler im Mittelfeld besonders auf: der ehemalige Hertha-Profi Michael Sziedat (sprich: 'Tsidatt, nicht 'Tschidatt oder gar Tschi'daht!).

Mit guter Laufarbeit, großartigem Stellungsspiel und dem konzentrierten Blick für den freien Mitspieler – vorne, schräg, quer und hinten! – verteilte er die Bälle in der Regel per Sicherheitspass mit der traumhaften Fehlerquote von 1 %. Nach 99 angekommenen Pässen und einem Fehlpass ließ er sich uneigennützig nach 70 Minuten auswechseln, um einem Sportskameraden Platz zu machen.

Rückblende


Etwa 1962 hörte der kleine Axel von seinen Schulfreunden von den fabelhaften Taten des Wolfgang Fahrian bei der WM in Chile, kryptischen Namen wie HSV, Schalke oder Meidericher SV und der neu beginnenden Bundesliga. Mit Nachbarsjungen begann er auf einem abgeräumten Ruinengrundstück an der Goerzallee zu knödeln. Das beförderte zwar eine gute Grundlage an Technik (heute noch zu bewundern), reichte aber noch nicht für Punktspiele auf dem Großfeld (natürlich seinerzeit grundsätzlich Schotter), wie sich bald zeigte. Denn 1964 nahm ihn ein Schulfreund mit zum FC Lichterfelde 12 ins am 16. Juni 1929 eingeweihte Stadion Lichterfelde, wo es zu ersten Einsätzen in der C-Jugend kam, die aber bald zur Nicht-Aufstellung führten. Auswechslungen gab es damals noch nicht. Also war Trainingsfleiß angesagt.

Axel als C-Jugendspieler im Dress des FC Lichterfelde 12

(Fotos zum Vergrößern anklicken)

In der C-Mannschaft spielte der gleichaltrige Micha einen gekonnten "Stopper", wie der 5er im damaligen WM-System hieß - der Libero war damals noch nicht erfunden. Seinerzeit spielte man mit 2 Verteidigern, einem Stopper, 2 Läufern und 5 Stürmern, davon halblinks und halbrechts zurückgezogen. Die C- und die B-Mannschaft wurden von Michas Vater, dem alten Fußballerhaudegen Sziedat, trainiert, außerdem gab es im Verein noch den großen Bruder Harald in der B-Jugend, einem guten Halblinks. Axels Schuhwerk bestand aus Leinenschuhen, unter die Noppen vulkanisiert waren, echte Ledertöppen waren noch nicht drin.

Die theoretische Weiterbildung erfolgte bei einer Nachbarsfamilie mit Fernseher, deren Familienoberhaupt sonnabends die 30minütige Sportschau guckte. Diese berichtete jeden Sonnabend von nur einem (!) Spiel, komischerweise fast immer vom 1. FC Köln (Heimatsender der Sportschau: WDR), der auch fast immer gewann, und bekanntlich erster deutscher Bundesligameister wurde. Im Radio rockte derweilen Roy Orbison mit Oh, Pretty Woman, aus England hörte man von den Beatles und die Berliner Halbstarken zerdöpperten am 15.9.1965 die Waldbühne.

Wie ging es weiter mit Axel und Micha? Die C-Jugend verlor die meisten Spiele, da die Gegner gemeinerweise größer und stärker waren, nur Micha stemmte sich energisch gegen die anrollenden Angriffe. Axel versauerte auf Linksaußen, später kam er als linker Läufer mehr zur Geltung. Micha verstärkte da schon zusätzlich die B-Mannschaft, obwohl er eigentlich noch C-Spieler war. Axel kam noch zu Einsätzen in der zweiten B, ehe er mit Eltern und Schwestern für fünf Jahre in die Fußballhochburg Köln zog. Dort interessierte er sich aber mehr für Jimis Auftritt in Woodstock und Pink Floyd als für Trainingszeiten, immerhin kickte er aber einmal pro Woche in einer Freizeitmannschaft. Als Student in Berlin mischte er in der TU-Liga mit, wechselte zur SG Schäfersee in die Kirchenliga (siehe dazu auch den Bericht), und spielt nach Ü40 II inzwischen irgendwo Ü50.

Der alte Sportkumpel Micha wechselte als B-Jugendspieler zum höherklassigen BFC Preußen in der Malteserstraße, und kam 1971, also mit 19, zu Hertha BSC, die nach dem Bundesligaskandal aufgrund Sperren nahezu ihre gesamte BL-Mannschaft eingebüßt hatte. Dadurch wurde Micha praktisch von Anfang an Stammspieler in der jungen, aufstrebenden Hertha-Mannschaft. Zweimal (1977, 1979) stand er mit Hertha im Pokalfinale, in der Bundesliga ist der zweite Platz von 1975 Herthas beste Platzierung bis heute. 1979 erreichte Sziedat mit Hertha das Halbfinale des Uefa-Pokals gegen Roter Stern Belgrad. In der Hertha-Ahnengalerie hat er seinen Platz sicher. Sziedat ist mit 280 Erstligaeinsätzen Herthas Rekordspieler. Er spielte neun Jahre für Hertha in der Bundesliga, nach Herthas Abstieg folgten noch vier Jahre bei Eintracht Frankfurt.

Seine alte Liebe Hertha hat den heute 55-Jährigen nie losgelassen. Deswegen ist er nach seiner Zeit in Frankfurt zum Ende der Laufbahn 1984 noch einmal nach Berlin gegangen, in die Zweite Liga, für 18 Spiele. Eine große Karriere endete im April 1984 unspektakulär: mit 0:3 bei Wattenscheid 09.

Heute betreibt er mit seiner Frau zwei Friseursalons in Zehlendorf, spielt noch Ü50 in der A-Klasse und in der Hertha-Traditionsmannschaft, dazu in der Regionalliga Tennis. So viel Zeit wie möglich versucht er mit seiner Tochter Franziska (8) zu verbringen. Sie ist schon jetzt glühender Hertha-Fan, mit ihr sieht man Michael Sziedat regelmäßig bei den Heimspielen im Olympiastadion.

Vor rund drei Jahren trafen Axel und Micha das erste Mal wieder bei einem Pokalspiel aufeinander, die BSC-50er um Wolf Kerner hatte die dritte Runde erreicht, verlor aber nach gutem Spiel gegen Hertha BSC mit 3:5. Axel sprach kurz mit Micha, dieser konnte sich aber an seinen damaligen Linksaußen nicht mehr erinnern. Dann beim Freundschaftsspiel gegen die Stadtauswahl ein erneutes Zusammentreffen: Axel spielte ebenfalls einige feine Pässe, und blockte in der 70. Minute Micha geschickt ab, so dass dieser einen Fehlpass produzierte …


Der traditionsreiche FC Lichterfelde 12 (gegründet am 18. Juni 1912) fusionierte 1971 mit Brandenburg 92 zur "BraLi", nach weiterer Fusion mit der LSU wurde 1988 daraus der Lichterfelder FC 1892 e.V. Der LFC – immer noch im Stadion Lichterfelde beheimatet – hält sich wacker in der vierten Liga (Oberliga Nordost) und ist zurzeit Achter.



Keine Kommentare: