14.10.12

Der Wahnsinn geht weiter…


Vor zweieinhalb Wochen wurde uns im Pokal die 1. Ü60 vom TSV Rudow zugelost - ein wahrlich attraktiver Gegner!
Damals wie auch aktuell das Zweitbeste aller 49 Berliner Ü60-Teams.
Nur die Altvorderen von Hertha BSC sind noch besser positioniert - und die spielen ja bekanntlich schon seit vielen Jahren in ihrer ganz eigenen Liga (31 der letzten 32 Meisterschaftsspiele gewonnen…).
Nun denn also, Rudow. -
Wie bereitet man sich auf ein solches Match vor?
Das soll hier nicht en détail verraten werden, schließlich kann ja weltweit jeder das hier Niedergeschriebene mitlesen.
Nur soviel: Wir haben da so unsere ganz eigenen Methoden… (Auf der Website des TSV findet sich hierzu eine im folgenden im Wortlaut auszugsweise wiedergegebene Passage des Spielberichts vom Spiel des TSV am 26.09.2012 beim SV Buchholz:
…„Im Vorfeld des Spieles wurden wir überrascht von einem Spieler des Berliner SC, unserem nächsten Pokalgegner, der sich nicht nur das Spiel ansehen wollte, sondern auch jeden unserer Spieler mit einer Kamera aufnahm!“… -
Wer von uns mag das wohl gewesen sein ?)
Die Zuschauerränge waren für unsere Verhältnisse gut gefüllt. Die Mannschaft bedankt sich für ihren Besuch u.a. bei unseren beiden Stammgästen Ändy und Andi sowie bei Manni und allen weiteren hier nicht aufgeführten Gekommenen.
Und es gab einiges zu sehen…
Von Anfang an stand das Spiel auf hohem, vor allem läuferisch und taktisch hohem Niveau.
Jede der beiden Mannschaften fuhr ihre Angriffe aus einer gesicherten Deckung heraus. Beide Teams wussten dabei das Spielfeld auch in seiner kompletten Breite zu nutzen.
Der BSC begann in der Abwehr mit Klaus und Ebi, das Mittelfeld wurde abwechselnd von Jürgen und Peter beackert.
Effendi wich dem überdurchschnittlich laufstarken Playmaker der Rudower nicht von der Seite, und Jörg schließlich war unsere vorerst einzige Spitze.
Im Verlauf des Spiels wechselte sich die Abwehr und das Mittelfeld sukzessive ab mit Arne, Hermann und Helmut. Claus stand - wie gewohnt - im Tor.
Mit fortlaufender Dauer des Spiels zeichnete sich allmählich eine leichte Überlegenheit der Rudower „Stars“ ab, die hier bei uns mit wirklich allem angetreten waren, was Rang und Namen hatte. Das gegnerische Team versuchte immer wieder, uns mit ebenso durchdachtem wie schnellem Kombinationsspiel unter Druck zu setzen.
Aber wir hielten dagegen.
Hinten ackerte Klaus, dass es eine Lust war, ihm zuzusehen! Gewann er noch gerade eben einen Zweikampf gegen den Rudower Mittelstürmer, fing er kurz darauf einen für dessen Nebenmann gedachten scharfen Pass ab und leitete dann gleich den nächsten Angriff der Gelb-Schwarzen ein. Bei alledem fand Klaus in seiner unaufgeregten Art immer noch die Zeit, um sich mit seinen Nebenleuten durch kurze Zurufe oder aber auch nur Blicke darüber zu verständigen, wer in der jeweiligen Spielsituation jetzt welche Aufgabe zu übernehmen hat.
Ein - nein, der Turm in der Abwehr!
Auch Ebi in Höchstform: Rannte, rackerte, schmiss sich in die Bälle rein.
Und hohe Bälle, die Rudow - wie es von einer Klassemannschaft nicht anders zu erwarten war - eher selten, wenn, dann aber gefährlich vor unser Tor hereingab, waren bei Ebi ebenfalls gut aufgehoben. Der obligatorische Selbstmörder-Querpass soll hier nicht unterschlagen werden, aber auch dies führte keineswegs zu Abstrichen an Ebis Top-Performance.
Besonders fiel in diesem Zusammenhang übrigens noch auf, dass Ebi heute zwar fast überall zu sehen, aber ungewohnterweise so gut wie überhaupt nicht zu hören war. - Nicht unangenehm…
Arne strahlte wie immer Souveränität und Ruhe aus. Und er war hellwach, wenn’s brenzlig wurde!
Unerreicht ist nach wie vor Arnes Auge für den freien Nebenmann. Worauf man sich bei Arne normalerweise, und so auch heute wieder, stets verlassen kann, ist sein punktgenaues Passspiel, egal ob zu dem von zwei Gegenspielern umringten Stürmer oder Longline in den Lauf des Außen.
Und Arne tritt auch einfach mal auf den Ball und sorgt für Konsolidierung, wenn es die Situation als angeraten erscheinen lässt.
Jürgen ging - noch von seiner vor drei Tagen in Hermsdorf erlittenen Verletzung - gehandicapt ins Spiel. Er bot sich nichtsdestotrotz ständig als Anspielstation an, bekam und verteilte viele Bälle.
In seiner speziellen Funktion war Jürgen nicht vorrangig mit Abwehraufgaben betraut. Seine hervorragende Stärke ist und bleibt nun mal der Abschluss. Auch heute zimmerte Jürgen wieder einige Bälle auf des Gegners Kasten, die aber ob der gut gestaffelten Abwehr der Rudower allesamt aus so relativ großer Torentfernung abgegeben werden mussten, dass keiner davon den Weg in den Kasten der Südberliner fand.
Peter war ein ständiger Unruheherd. Zu keiner Zeit konnten es sich die Rudower leisten, ihn unbeachtet auf dem Feld alleine zu lassen. Immer wieder bot Peter sich an, lief viel, besonders auch die weiteren Wege auf die Außenpositionen. Von dort dann gleich auch wieder zurück ins Abwehrzentrum des BSC. Über die kämpferischen Qualitäten von Peter zu reden, hieße, die sprichwörtlichen Nachtvögel in die Hauptstadt der Hellenen zu befördern…
Hermann - rekonvaleszent nach noch immer nicht ganz überstandener Grippe - fügte sich nahtlos in das Team ein. Er nutzte jede sich bietende Gelegenheit zu Gegenangriffen, war trotz seines wegen der erwähnten Beschwerden vielleicht erst bei 70 oder 80 Prozent liegenden Leistungsvermögens enorm wichtig für die Mannschaft.
Auch Hermann ist einer derjenigen Spieler, die stets das Auge für den freien Nebenmann haben. Er sieht aber genauso auch, wenn eben gerade keiner anspielbar ist und schlägt dann nicht auf gut Glück den Ave-Maria-Pass ins Nirvana…
Helmut. Schön, dass Du endlich wieder da bist !
Ballsicher, strategisch denkend, schnell im Antritt, elegant in der Ballführung - noch nicht immer mit dem Blick für den freien Nebenmann, was sich aber nach zwei, drei weiteren Spielen sicherlich absolut gegeben haben wird. Eine Bereicherung für jedes Team, und so auch für das unsere. Wir alle freuen uns auf tolles Kombinationsspiel mit dir Vollblutfußballer!
Effendi hatte es - wieder mal - mit der „Lunge“ des Gegners zu tun.
Er versuchte, sich von Anfang an die Fersen des gegnerischen Zehners zu heften. Dieser - erst verwundert, mit fortlaufender Spielzeit dann immer mehr genervt wegen seiner Sonderbewachung - tigerte zwar nach wie vor unermüdlich kreuz und quer über das Spielfeld, konnte aber zu keiner Zeit diejenige Effektivität im Spielaufbau oder Abschluss entfalten, die er selbst und seine Mitspieler scheinbar von ihm gewohnt waren.
Neben seiner Sonderrolle fand Effendi noch Gelegenheit, sich ein ums andere Mal in die Angriffe der Seinen einzuschalten. Er lief ständig in die freien Räume, bot sich als Anspielstation an, bekam und verteilte die Bälle an seine Mitspieler.
Auch mit seinem kämpferischen Einsatz war Effendi einmal mehr ein wichtiger Aktivposten seines Teams.
Jörg ging nach ebenfalls gerade erst auskurierter Verletzung in das heutige Match.
Sein Posten in der vordersten Linie war wieder einmal ein nicht eben dankbarer. Einzelkämpfer zwischen abgezockten Defendern - das braucht schon gewisse Körperteile in gewissen Textilien…
Mittlerweile hat es aber jeder in unserem Team mitbekommen, dass Jörg eigentlich immer anspielbar ist, sei es, dass einer, zwei oder gar drei anders Gewandete um ihn herum sind. Jörg gibt Dir schon durch seinen Blickkontakt zu verstehen, dass er für das Zuspiel bereit ist. Und kommt der Ball dann auf ihn, wartete er nicht ab, sondern geht der Murmel prinzipiell entgegen - so, wie’s eigentlich immer und bei jedem Spieler sein sollte, aber halt eben in der Praxis lange nicht ist…
Hat Jörg den Ball dann einmal bei sich, ist es unerhört schwer, ihm diesen wieder abzunehmen! Je nach Spielsituation kommt der Pass zum Mitspieler, oder aber Jörg setzt sich gegen seine Konkurrenten durch und marschiert alleine aufs Tor zu.

Nach zwei, drei halben Chancen für die Rudower dann auf einmal wir!
Jörg bekommt in zentraler Position 15 Meter vor dem gegnerischen Tor den Ball zugespielt. Sein Gegenspieler steht direkt hinter ihm. Jörg nimmt den Ball, trickst seinen Gegner aus und hat auf einmal nur noch den Keeper vor sich. Jeder, der schon mal in einer vergleichbaren Situation gewesen ist, weiß, dass die scheinbar einfachsten Dinge oft die schwersten sind… Zeit ohne Ende, immer dichter ans Tor ran - und dann sollte man ja irgendwann auch mal schießen. So geschah’s - und der Torwart hielt tatsächlich diesen eigentlich unhaltbaren Ball.
Weiterhin 0:0.
Rudow weiter mit leichten Vorteilen.
Einige Schüsse auf unser Tor. Doch die werden entweder abgeblockt, gehen am Tor vorbei oder sind eine sichere Beute von Claus.
Dann ist Halbzeit.
Rudow wirkt überrascht über das für sie unerwartete Zwischenresultat.
Überrascht, aber mehr auch nicht.
Sind ja noch 30 Minuten zu spielen…
Im zweiten Abschnitt verlagert sich das Spielgeschehen zusehends in unsere Hälfte.
Jetzt kommt so langsam die große Zeit des Claus V.
Rudow spielt den Zwölfer frei, der zieht aus zentraler Position scharf und platziert auf unser Tor.
Schade, so lange hatten wir die Null gehalten…
Gehalten?
Gehalten!
Wie in aller Welt hat Claus noch seine Finger an diesen Ball gebracht, war doch eigentlich praktisch schon drin, das Ding!
Ein Entlastungsangriff unsererseits. Torschuss, aber kein Treffer.
Rudow greift wieder an.
Claus kann mit einer erneuten fantastischen Parade zur Ecke klären.
Die Ecke kommt kurz.
Ein Rudower spielt den rechts hinten stehenden BSCer aus, zieht dann aus spitzem Winkel flach und scharf aufs Tor; Torentfernung höchstens fünf Meter.
Claus ist mit dem Fuß zur Stelle, klärt erneut.
Die Rudower gucken sich an - gibt’s doch gar nicht!
Wieder Rudow.
Der Linksaußen kombiniert sich mit dreifachen Doppelpässen herrlich bis fast zu unserer Grundlinie durch. Ein fein getimter Querpass direkt vors Tor auf den mitgelaufenen Center der Rudower. Der holt aus, um die Kugel einzunetzen.
Tor?! -
Nein, unglaublich!!
Klaus kommt irgendwie von der anderen Seite herangerauscht (keiner weiß, wie er das gemacht hat), schafft mit allerletztem Einsatz einen Pressschlag, sodass der Ball ganz knapp am Tor vorbeigeht.
Eine Wahnsinnstat!
Wir entlasten wieder ein wenig, kommen aber kaum zu wirklich zwingenden Möglichkeiten. Immerhin, wenn wir angreifen, zieht sich Rudow ganz schnell in die eigene Hälfte zurück. Haben scheinbar doch ein bisschen Respekt bekommen vor uns…
Dann wieder Rudow.
Und wieder Claus.
Innerhalb von zwei Minuten entschärft er zwei weitere Hundertprozentige der Weißen in Manier eines Weltklasse-Keepers (der er jetzt wirklich ist!).
Schuss Nummer eins sieht Claus waagerecht in der Luft fliegend den Ball an den linken Pfosten boxend, den nächsten Schuss holt Claus mit einem wahren Panthersprung aus der unteren rechten Ecke.
Jetzt hat sich der Rudower Mittelstürmer in Schussposition gebracht.
Todesmutig wirft Claus sich ihm entgegen, hechtet und begräbt den Ball unter sich.
Wahnsinn!
Und immer noch 0:0.
Und wir bemühen uns weiterhin um einen kontrollierten Aufbau. Vergessen dabei aber nicht die Absicherung nach hinten.
Für viel mehr als ein paar bis zum gegnerischen Strafraum recht variantenreich vorgetragene Entlastungsangriffe unsererseits reicht es zwar bisher noch nicht, doch auch das schafft Luft und Zeit zur Neuordnung.
Alle bei uns sind hoch konzentriert; kämpfen, ackern, machen.
Und von draußen gibt uns Marko kurze und genau terminierte Tipps, feuert uns an, lobt.
Das gibt nochmal mehr Motivation, alles läuft einfach toll.
Jedenfalls bis dahin…
Rudow kann schwer verstehen, dass die Bezirksligisten sich von dem Verbandsliga-Zweiten nun so langsam noch nicht mal konditionell den Schneid abkaufen lassen.
Sie greifen weiter an, wir parieren.
Jetzt ist auch das Glück ein paarmal eindeutig auf unserer Seite.
Zwei, drei technisch wirklich gut angesetzte Schüsse der Rudower verfehlen ihr Ziel nur um wenige Zentimeter.
Und immer wieder Claus.
Was nicht aufs Tor kommt, geht daneben. Was aufs Tor kommt, schnappt sich der heute in der Form seines Lebens spielende Claus.
Aber auch unsere Feldspieler fighten mit höchstem Einsatz.
Einer für alle, alle für einen - klingt normalerweise immer ein wenig pathetisch. Heute aber könnte der Tag sein, an welchem diese Metapher erfunden worden ist.
Was für ein Spiel, was für ein Tag in unser aller altem Fußballerleben!
Den nächsten Scharfschuss lenkt Claus mit allerletztem Einsatz an die Latte, von wo aus der Ball wieder ins Feld zurückspringt…
Noch zwei weitere gefährliche Angriffe der Rudower.
Alle sind so intensiv mit dem Spiel beschäftigt, dass der Schlusspfiff des Schiris mehr oder weniger überraschend kommt.
Aber er kommt.

Doch anders als in Wankdorf ist das Spiel damit noch nicht aus…

In Übereinstimmung mit der Geschäfts- und Hausordnung des Deutschen Herzzentrums im schönen Berlin-Wedding sowie den Statuten des BFV gibt es bei Pokalspielen der Ü60er keine Verlängerung, sondern sofort den Shoot-Out.
Und auch hier - nochmals mit Rücksicht auf das Alter der Kombattanten - schießen zunächst nicht fünf, sondern nur drei Spieler eines jeden Teams ihre Neunmeter.
Nun denn.
Arne gewinnt die Auslosung und entscheidet sich dafür, dass wir anfangen:
BSC - Schuss gehalten.
TSV - Lattenkracher.
BSC - sauber verwandelt! Helmut schießt scharf und platziert links halbhoch ein. 1:0 BSC!!
TSV - einen Meter drüber.
BSC - Einen Meter flach links daneben.

Es deutet alles auf eine Verlängerung des Neunmeterschießens hin, wenn, ja wenn nicht…
TSV - Claus hält!!! Und hält uns damit im Wettbewerb!
Unfassbar. Einfach toll!
Rudow verlässt gruß-, sportgruß- und gratulationslos das Spielfeld.
Naja, kann man irgendwie nachvollziehen.
Wir sitzen noch bis nach elf im Casino. Erzählen uns gegenseitig von Glück, Können und Tagen, an denen manchmal überraschende Sachen passieren…
Der Star ist und war heute die Mannschaft – und das ist bei uns einer der ganz wesentlichen Schlüssel zu unserer aktuellen Situation.
Noch drei Spiele bis zum Finale…
…aber nächste Woche ist erst mal wieder der schwere Alltag in der Meisterrunde angesagt.
e.

3 Kommentare:

Dicki hat gesagt…

Axel! Ich habe noch beim Lesen Schweißperlen auf die Stirn bekommen. Spannend geschildert! Glückwunsch!
P.S. Wie habt Ihr denn Ebi so hinbekommen?

Dicki hat gesagt…
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
Dicki hat gesagt…

Mensch Leute! Ich bin über 50 und mein Astigmatismus oder wie das heißt, verstärkt sich von Monat zu Monat. Das ultrakleine "e." habe ich kaum erkennen können.
Also, Effendi: Super Artikel!