Den vierten Platz zurückerobert, sechs Punkte aus den letzten
beiden Spielen, und vor allem gestern beim bislang ungeschlagenen
Tabellenführer 3 : 2 gewonnen..., so geht es in die dreimonatige Winterpause und
die Stimmung auf der in zwei Wochen steigenden Weihnachtsfeier wird ungeahnte
Höhen erreichen.
Zunächst waren jedoch jede Menge Arbeit, Schweiß und vor
allem Nervenstärke und Nervenstärke zu investieren. Hier die Details:
Am Freitagabend bei Käthe Tucholla; Nieselregen, düstere
Stimmung draußen. In unserer Kabine konzentrierte Spannung vor dem Spitzenspiel
gegen den Ersten der Staffel. Dieser ist bisher noch unbesiegt, erhielt in zehn Partien ganze
sechs Gegentore. Irgendwie beeindruckend, aber Bange machen gilt bekanntlich
nicht. Dazu die Mischung aus Claus' Wunschdenken und der berühmten
Kristallkugel...
In den ersten 15 Minuten spielt eigentlich nur Köpenick -
durchdachtes Laufspiel, schöne Kombinationen über die gesamte Breite des Platzes,
immer mindestens zwei anspielbereite Blaue. Sieht gar nicht gut aus für uns,
zumal der erste der zahlreichen Schüsse bereits den Weg in unser Tor findet.
Torentfernung ungefähr 15 Meter, flach und scharf geschossen, aber nicht
sonderlich platziert... trotzdem, 0:1.
Unsere Angriffsbemühungen wirken eher ein bisschen
verzweifelt, nix Zwingendes, sondern meistens hohe Hoffnungs-Bälle auf den
Neunmeterpunkt, wo aber immer zwei oder drei Köpenicker gut absichern.
Ein Angriff nach dem anderen gegen uns, Jörg im Tor kann ein
paarmal gut klären, fast jedesmal faustet er den nassen Ball weg, was zwar
sicherlich goldrichtig ist, aber auch für den einen oder anderen gefährlichen
Nachschuss sorgt...
Dann wieder einer dieser hohen Flankenbälle in den Strafraum
der Oberspreeeeeer, Hannes am Neunmeterpunkt. Dicht vor ihm ein Blauer, dicht
hinter ihm ein Blauer. Axels Ball senkt sich, extrem präzise genau auf die Höhe
von Hannes, der trotz doppelter Deckung zum Ausgleich einköpfen kann - sieht
man so im Fernsehen auch nicht schöner...
Köpenick ist leicht irritiert, verbucht das Ganze aber wohl
mehr oder weniger als kleinen Betriebsunfall, hatten sie doch bisher das Spiel
klar dominiert.
Nun aber sind sie nicht mehr ganz so stark wie in der
Anfangs-Viertelstunde. Auch die Konzentration ist nicht mehr dieselbe, und so
geht Hannes energisch in ein vom linken Verteidiger auf seinen
Mittelfeld-Verbindungsmann gedachtes Zuspiel, erkämpft sich an der rechten
Strafraumbegrenzung den Ball. Ballverluste in der Vorwärtsbewegung, da war doch
was... Richtig; Jürgen steht zentral am Strafraum völlig ungedeckt. Hannes'
Zuspiel kommt präzise, und ehe der mit Highspeed auf Jürgen zueilende
Verteidiger diesen erreichen und am Torschuss hindern kann, guckt Jürgen den
Keeper aus und locht überlegt flach rechts unten ein.
Jetzt liegen wir mit 2:1 vorne, und Köpenick verändert seine
Einstellung zum Spiel von Minute zu Minute mehr. Häufigere Kommentare,
Schuldzuweisungen innerhalb der eigenen Truppe, Gemeckere gegen den Schiri
(unser aller alter Freund Aram Somunciyan, der so etwas bekanntlich seeehr
liebt !). Gejaule nach jedem noch so kleineren härteren Einsteigen
unsererseits. Das mehrt unsere anfangs nicht gerade überbordende Zuversicht,
hier heute vielleicht tatsächlich doch für eine kleine Überraschung bei dem
bisher noch ungeschlagenen Tabellenführer sorgen zu können.
Aber erstmal ist Halbzeit, und es sind noch lange 30 Minuten
zu spielen.
Wir sind jetzt hellwach, und als ein Pfiff ertönt, rennen
Jörg und Effendi sofort auf den Platz, um zur zweiten Halbzeit aufzulaufen. Der
Pfiff kam zwar vom Schiri der Partie auf der anderen Hälfte des Großfeldes,
aber auch bei uns ging's dann nach ein paar Minuten weiter...
Der Fisch ist hier indes noch lange nicht gegessen. Köpenick
drängt mit Macht auf den Ausgleich, versucht, sich in unserer Hälfte
einzunisten. Wir halten dagegen, sind insbesondere von der Einstellung her auf
dem Level der einen oder anderen Pokalpartie der letzten Saison angekommen.
Es kommt einiges auf unser Tor, und Jörg hat mehrfach
Gelegenheit zu zeigen, wie wertvoll er nicht nur im Angriffszentrum für uns
sein kann. Aber auch unsere gesamte Defensivabteilung will sich von den Blauen
einfach nicht unterkriegen lassen. Und kommt doch einmal ein Ball durch zu
einem einschussbereiten Stürmer, so vergibt dieser wiederholt im Stile des
früheren Mario Gomez völlig freistehend einen oder auch nur einen halben Meter
vor dem Tor in einer Art und Weise, die bei Profi-Spielen mit höchster
Wahrscheinlichkeit die Experten der Anti-Wettbetrugs-Mafia-Organisation auf den
Plan gerufen hätte.
Ein weiterer Angriff kommt von halblinks in unseren
Strafraum. Axel läuft neben dem ballführenden und zum Torschuss ansetzenden
Gegenspieler, als dieser plötzlich innehält und lautstark "Festgehalten
!" reklamiert. Zwei seiner Kameraden wiederholen das, blicken zum Schiri,
und der deutet zu unserem Entsetzen auf den ominösen Punkt. Axel sagt später,
dass da überhaupt nichts war, seine Hände waren irgendwo, aber mit Sicherheit
nicht an seinem Kontrahenten. Also wieder eine dieser Entscheidungen, wo der
scheinbare Verursacher dasteht wie vom Pudel begossen, aber natürlich klar ist,
dass der Schiri seine Maßnahme nicht zurücknehmen wird. Aus diesem Grund
insistieren wir auch nicht weiter, sondern ergeben uns in unser Schicksal. Als
Krönung dieser Szene darf sich Axel auch noch über die Gelbe Karte des Schiris
freuen - ein Hohn (ich weiß, was man da so alles denkt...) !
Der Schütze legt sich die Kugel fast liebevoll zurecht, Jörg
macht sich auf der Linie breit, bietet sichtbar keine Ecke an. Anlauf - und
immer noch zeigt Jörg keine Tendenz, in eine der beiden Ecken zu hechten. Dann
der Schuss. Jörg erfasst in Sekundenbruchteilen die Richtung, in die der Ball
geschossen ist und bekommt mit einem gewaltigen Ausfallschritt seinen Fuß
zwischen Ball und Tor. Der Ball springt zentral zurück, zwei Köpenicker rasen
auf ihn zu, aber Effendi ist eine Schuhspitze eher dran und kann die Murmel
gerade noch so eben vor dem ersten der beiden Einschussbereiten aus der
Gefahrenzone spitzeln.
Jörgs Aktion bewirkt augenblicklich zwei Verhalten: Köpenick
steigt endgültig um auf das Prinzip Brechstange, und wir spüren endgültig, dass
das heute wirklich unser Tag werden könnte !
Dann fällt aber doch noch der angesichts der Spielanteile
sicherlich nicht unverdiente Ausgleich. Ein Blauer nimmt einen weit abgewehrten
Flankenball an, zu unserem Tor sind es sicher noch 15 Meter, aber er haut
einfach mal drauf, so doll es eben geht. Einen Meter vor Jörg steht ein
Angreifer, der den ankommenden Schuss ganz leicht abfälscht, aber genau diese
Richtungsänderung reicht, um dem Ball den Weg in unser Tor zu ermöglichen.
Schade, wirklich schade; aber auch ein 2:2 ist ja noch aller Ehren wert...
Köpenick will jetzt aber mehr - und bekommt es auch.
In die Offensivbemühungen der Blauen fahren wir den einen
oder anderen durchaus nicht ungefährlichen Konter. Und so wird wieder einmal
aus unserer Abwehr der im Mittelfeld lauernde Jürgen angespielt. Keiner vorne,
auf den er den Ball weiterleiten könnte. Jürgen realisiert aber offenbar, dass
der Keeper vielleicht ein ganz klein wenig zu weit aus seinem Kasten raus ist.
Und er probiert's einfach mal... Die Entfernung zum Tor (ich hab's über Google
Sports von zu Hause aus nachgemessen) betrug exakt 26,30 Meter, und selbst bei
der bekannten Schussstärke von Jürgen (Ronny gemessene 129 km/h, Jürgen
geschätzte 126 km/h) braucht der Ball für die Überwindung dieser Entfernung
immerhin 1,578 Sekunden (rechnet's gerne nach, es stimmt auf's Tausendstel !).
Dabei ist zugunsten der Reaktionszeit für den Torwart noch nicht einmal
berücksichtigt, dass der Ball die nämlichen 26,30 Meter ja nicht auf einer
gerade Flugbahn zurückgelegt hat, sondern in seiner Parabel noch einmal
geschätzte etwa fünf Meter zusätzliche Strecke weit geflogen ist, was weitere
0,225 Sekunden dauerte, er insgesamt also 1,803 Sekunden unterwegs war, bevor's
dann im Tor der Köpenicker ganz gewaltig einschlug. Ein wenig erleichternd
dabei der Umstand, dass der in dieser Phase leicht orientierungsgestört
wirkende Keeper bei seinen Bemühungen, im Zurückeilen die ungefähre Mitte
seines Tores zu finden, in seinen Laufweg eine kleine Kurve mit einbaute...
Nicht nur wir, auch der Gegner und der Schiri blicken nach
diesem unfassbaren Tor jedenfalls mehr als nur ein wenig - und je nach
Gemütslage hellauf begeistert bis total konsterniert - zu Jürgen hin !
Noch acht Minuten, und wir liegen wieder vorn.
Weiter verkrampfte Bemühungen der Spreeländer um den
Ausgleich, Chancen nahezu im Minutentakt.
Und obwohl das heute eigentlich kein wirklich gutes oder gar
herausragendes Spiel von uns ist, versuchen wir trotzdem alles, um uns die drei
Punkte nicht in letzter Sekunde doch noch nehmen zu lassen. Spielerisch sind
wir immer noch ein ganzes Stück von unseren Möglichkeiten und ja auch das eine
oder anderemal demonstrierten Fähigkeiten entfernt, kämpferisch und von der
Einstellung her aber ist unser Team voll dabei. Einzelne von uns leistungsmäßig
hervorzuheben erübrigt sich heute, jeder rennt und kämpft für jeden, und wenn
auch nicht alles klappt, so sind wir doch als Mannschaft heute wirklich stark !
Dann doch noch die Mega-Gelegenheit zum Ausgleich: Jörg kann
einen scharfen Schuss von halblinks zwar abwehren, aber beim Nachsetzen zu dem
ins Feld zurückspringenden Ball kommen er und der den Nachschuss
beabsichtigende Stürmer fast gleichzeitig zum Ball. Der Stürmer schreit und
fällt, Jörg bleibt stehen. Neunmeter. Wiederum diskutabel, aber wiederum
natürlich entschieden.
Jetzt kommt die vermeintliche große Stunde des Oberspree-Keepers:
Der Vierer schnappt sich den Ball, will zur Exekution antreten, als von hinten
sein Torwart auf ihn zugerannt kommt: "Ich mach' das, nur ich ! So kann
ich meinen Fehler beim 2:3 wieder gutmachen." Gesagt, doch nicht getan...
Der Schuss kommt höllisch scharf, wie beim ersten Neuner bleibt Jörg wieder
stehen, und der Ball klascht mit Full Speed genau über ihm an die Latte. Jörg,
Du bist ein Fußballgott !
Noch fünf Minuten, und dann ist das Spiel aus. Auuuus !
Wer hätte das gedacht...
Die drei Punkte sind für uns zwar nicht (mehr) ganz so
wichtig, um einen der obersten Tabellenplätze zu erreichen, aber sie sind nach
den ärgerlichen Niederlagen gegen Hertha, Wilmersdorf und auch Gatow wahrer
Balsam für die Seele !
Wir hatten heute Glück, ohne Frage. Aber aufgrund unserer
wirklich famosen Mannschaftsleistung kann man unseren Sieg deshalb nicht als
unverdient bezeichnen, und ein 3 : 2 beim - nun nicht mehr ungeschlagenen, aber
nach wie vor amtierenden - Tabellenführer und damit Herbstmeister der
Landesliga 2, damit lässt es sich doch gut aus dem alten in das neue (Fußball-)
Jahr hinübergehen.
e.
P.S.: Besonderen
Dank an Dr. Bayer, der uns von der Seitenlinie aus coachte und dabei genau so viel
Calorien verbrauchte wie wir Spieler auf dem Platz.