7.12.14

Ü50-2: Der Himmel über Berolina


Wir ließen uns nichts anmerken. Ich ließ mir nicht anmerken.

Wir eine Schafherde, in deren Weide ein Wolf eingedrungen war, drückte sich die Mannschaft in die entferntesten Ecken der Kabine.

Sie saß gleich neben der Tür, amüsierte freundlich über unsere müden und seltsam zahmen Witze (die zivilisatorische Wirkung der Frauen ist doch gar nicht zu überschätzen) und bewunderte Uwes langen Superman-Unterhosen (Lidl 2007).

Keiner fragte woher sie kam.

Die rhetorische Raffinesse der prägnanten Ansprache von Manni litt ein wenig unter dem ständigen Rein und Raus der Mannschaft, einer kam gar erst gegen Ende (das kostete ihn den Platz in der starting seven), einer kam gar nicht, was dieselbe Ordnungsstrafe zur Folge hatte. So waren wir also zu neunt. Und sie.

Auf dem Platz alte Bekannte, auch Berolina hatte sich ein wenig bei der ersten Mannschaft bedient.

Trotzdem starteten wir - gestärkt durch unsere letzten Erfolge - konzentriert und selbstbewusst in die Partie, standen kompakt im Mittelfeld, die Abwehr hatte die starken gegnerischen Stürmer im Griff und ab und an ließen unsere Gegenangriffe eigene Gefährlichkeit aufblitzen.

Nach einer ziemlich harmlosen ersten Ecke von Berolina dann ein schmerzhafter Rückfall in alte Zeiten: Fußball.de registriert das 1:0 für Berolina, Torschütze Ralf Peter Richter.

Man kann es so sehen, man kann auch fragen, warum unser Verteidiger genau da steht, wo Pete den Ball halbherzig hinschlägt, man kann sich diese Überlegungen auch gleich ganz schenken, weil sie eh nichts mehr ändern.

Uwe jedenfalls grummelt am Anstoßkreis Schwaden negativer Energien auf den Ball nieder, der kann aber nun gar nichts dafür.

Ganz sanft beginnt es zu schneien, 6,7 vielleicht 9 Schneeflocken. Ich glaube neun.

Was jetzt beginnt ist ohne den Engel nicht zu begreifen.

Wie jeder von uns seine volle Leistungsfähigkeit erreicht, wie viele Dinge gelingen, von denen wir sonst nur träumen, wie wir gegenhalten und nicht einbrechen: Hat man jemals ein so beherztes Solo von Karsten über Linksaußen gesehen, abgeschlossen mit einem Außenristpass aus vollem Lauf, den Uwe in der Mitte mit dem rechten (!) Fuß sicher verwandelt? Wann kombinierten wir uns das letzte Mal so traumwandlerisch bis in die Spitze, von Manni vollendet, der mit enorm viel Gefühl eine butterweiche Flanke über den letzten Verteidiger hinweg auf meinen Kopf segeln lässt?

Und nie sah jemand eine perfektere hyperbolische Kopfballkurve - die Zeit steht still: 2:1 für uns.

Dass der enorm starke Fünfer von Berolina nach starker Einzelleistung ausgleicht, schmeißt uns heute nicht um. Noch vor der Pause schlägt unser Erfolgskapitän Hartmut nach Freistoß-Vorlage von Manni mit Bierruhe, feiner Technik und gut sitzenden Stutzen zum 3:2 zurück.

Ich weiß noch, dass der Engel sich in der Pause mit uns die Treppe zur Kabine hinauf drängelt, dann verliere ich ihn aus den Augen. Wir schwören uns ein auf die 2. Halbzeit, in der  Kampf und Konzentration 30 Minuten von uns durchgehalten werden.

Manni vernichtet dann aus unmöglichem Winkel …

(jetzt aber Exkurs!: „…dann fand Emmerich das zerrissene Zündkabel und flickte es mit einem Schuss, wie ihn das Stadion von Birmingham noch nicht gesehen hatte. Nach einem Einwurf von Held knallte er aus ganz spitzem Winkel den Ball mit dem linken Fuß in die rechte obere Ecke des spanischen Tores, so dass der ausgezeichnete spanische Torwart den Ball nicht einmal kommen sah.“ Wilhelm Fischer Fußball WM 1966, W. Fischer Verlag, Göttingen 1966)

… mit seinem 4:2 allerletzte Hoffnungen von Berolina - na ja nicht gerade geknallt und nicht rechts oben und der Torhüter war auch nicht soo stark - aber sonst so ungefähr - und die letzten „zwei  Menuttä-än!“ unseres türkischen Schiedsrichterfreundes sind dann auch schnell vorüber.

Manni bestellt 10 (!) Siegerbier in die Kabine, aber eins bleibt übrig.

Die restlichen leeren Pete, Dicki, Karsten Meyer, Ändy Heling, Olaf, Manni, der Captain, Uwe und

Stephan B.

Was sonst noch geschah: Uwe gibt am Kiosk eine „Bockwurst an Bioweizentoast“ aus , wir trinken noch mehr Bier und ich hab schon mal das Spiel der 1. am Freitag freigegeben, die Aufstellung war aber noch gar nicht bearbeitet und jetzt müssen Esti und Schreibi spielen, die sind aber gar nicht da und Hans und Bernd dürfen nicht mitmachen, die könnten aber.

Die Mannschaft wird mich schlachten, egal, ich fahr mit Manni durch die Nacht, schlafen kann ich eh nicht, ich denk an den dunkel leuchtenden Himmel über Stralau.

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